Szenario Upgrading

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Upgrading-Szenario der Quartiersentwicklung

Welche Prozesse und Trends können zu einem Upgrading-Szenario führen?
In der Regel sind Quartiere von einem Upgrading-Szenario betroffen, wenn sie aktuell unter-
bewertet sind und sich durch eine wachsende oder anhaltend hohe Nachfrage  nach Wohn-
raum auszeichnen. Unterbewertet meint, dass das aktuelle Miet- und Kaufpreisniveau eines
Quartiers infolge früherer Abwanderungs- und/oder Verfallsprozesse oder bislang nicht ent-
deckter Vorteile relativ niedrig ist. Durch eine wachsende oder anhaltend hohe Nachfrage
nach  Wohnraum  in  Quartieren  mit aktuell  gefragten  Standortqualitäten  lassen  sich  in der
Regel höhere Miet- und Kaufpreise für Wohnraum erzielen. Dies gilt vor allem für Quartiere,
in denen die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot übersteigt. Grundsätzlich gilt: Je grö-
ßer die Nachfrage nach Wohnraum in einem Quartier im Verhältnis zum Angebot ist, desto
wahrscheinlicher wird ein Upgrading-Szenario. Dieser Mechanismus von Angebot und Nach-
frage wird durch gesellschaftliche Trends beeinflusst.
Der demografische Wandel hat beispielsweise einen erheblichen Einfluss auf die Nachfrage
nach  Wohnraum.  Trotz  des  prognostizierten  Bevölkerungsrückgangs  steigt  die  Zahl  der
Haushalte, aufgrund des Trends zu kleineren Haushalten, in Deutschland noch voraussicht-
lich  einige  Jahre  an  (Trend  „Bevölkerungsrückgang“  und  „Individualisierung“).  Der  Anstieg
der Haushaltszahlen führt zu einem Anstieg der Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt. Dar-
über hinaus wird der natürliche Bevölkerungsrückgang momentan durch die in den letzten
Jahren  gestiegene  Zuwanderung  aus  dem  Ausland  kompensiert  (Trend  „Internationalisie-
rung“). Eine weiter voranschreitende Internationalisierung der Wanderungsprozesse betrifft
vor allem die Quartiere der innenstadtnahen Bereiche von wirtschaftlich starken Großstäd-
ten  sowie  Universitätsstädten.  Somit  kann  für  den  Wohnungsmarkt  in  vielen  deutschen
Groß- und Universitätsstädten zunächst noch mit einem Anstieg der Nachfrage nach Wohn-
raum gerechnet werden. Der demografische Wandel hat ebenfalls einen erheblichen Einfluss
auf die Entwicklung der Altersstruktur. Die Alterung der Bevölkerung führt zu einer steigen-
den Nachfrage nach altersgerechtem Wohnraum in städtischen Lagen (Trend „Alterung“).
Im Zuge der fortschreitenden Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft kommt
es zur Herausbildung neuer Haushaltsformen und Lebensstile (Trend „Pluralisierung“). Eine
Folge dieser Entwicklung ist die stetige Verkleinerung der Haushalte und somit die bereits
erwähnte  Zunahme  an  Einpersonenhaushalten.  Die  neuen  Haushaltsformen  zeichnen  sich
häufig durch eine verstärkte Nachfrage nach innerstädtischem Wohnraum aus. Darüber hin-
aus  befördert  der  anhaltende  Trend  der  steigenden  Pro-Kopf-Wohnflächennachfrage  eine
weiterhin  hohe  Nachfrage  nach  Wohnraum  und  begünstigt  Aufwertungsprozesse  in  be-
stimmten Lagen (Trend „Wohnflächenverbrauch“).
Eine weiter anhaltende oder steigende Nachfrage nach Wohnraum in städtischen Lagen lässt
sich auch auf bestimmte Veränderungen und Entwicklungen innerhalb der Arbeitswelt zu-
rückführen (Trend „Veränderungen der Arbeitswelt“). Durch eine Vergrößerung der Entfer-
nungen zwischen Wohn- und Arbeitsort und multilokale Lebensformen kann es zu einer hö-
heren Nachfrage nach Wohnraum in bestimmten Städten und dort  vor allem in zentralen,
verkehrsgünstigen Lagen kommen. Infolge der Entgrenzung von Arbeit und den dadurch ent-
stehenden Koordinations- und Synchronisierungsaufgaben kann die Nachfrage nach Wohn-
raum in städtischen Quartieren mit vielfältigen, räumlich konzentrierten Infrastrukturange-
boten wachsen. Demzufolge ist mit einer stärkeren Wohnungsnachfrage in innenstadtnahen,
urbanen Quartieren mit Nutzungsmischung und großer Angebotsvielfalt zu rechnen. In die-
sem Zusammenhang können insbesondere die Standortqualitäten Erreichbarkeit und Infra-
strukturversorgung in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Grundsätzlich sorgt der dauerhafte Verbleib von Mittelschichtshaushalten in innenstadtna-
hen Quartieren, vor allem auch von jungen Familien, die nicht mehr an den Stadtrand oder
in das Umland einer Stadt ziehen, mit dafür, dass insbesondere das Angebot an innenstadt-
nahem Wohnraum für die bisherigen Nachfragegruppen knapper wird. Durch den Verbleib
oder den Zuzug von finanziell besser gestellten Haushalten findet häufig eine bauliche Auf-
wertung statt, da sich durch Investitionen in den Bestand höhere Mieten oder Verkaufsprei-
se erzielen lassen. Dieser Prozess ist im Zusammenhang mit der aktuell geführten Debatte
um die Gentrifizierung von Quartieren zu sehen. Gentrifizierung meint ganz allgemein, dass
sich sowohl der bauliche Zustand eines Quartiers als auch der soziale Status seiner Bewoh-
ner  verbessert.  Dabei  wird  davon  ausgegangen,  dass  ein  Quartier  nur  dann  im  Sinne  der
Gentrifizierung aufgewertet werden kann, wenn die Qualität der Bausubstanz und der sozia-
le Status relativ niedrig sind. Gentrifizierung geht meist mit einer Verdrängung von einkom-
mensschwächeren und weniger vermögenden Bewohnern eines Quartiers einher. Ein Trei-
ber der baulichen und sozialen Aufwertung von Quartieren kann in dem aktuell diskutierten
Trend der Reurbanisierung gesehen werden. Reurbanisierung meint ein umfassendes Kon-
zept,  das  zu  erklären  versucht,  warum  innerstädtische  Wohngebiete  für  unterschiedliche
Bewohnergruppen und Haushaltstypen momentan wieder attraktiv werden.

Welche Wildcard könnte ein Upgrading-Szenario beeinflussen?
Plötzliche und unerwartete Ereignisse können den Entwicklungsverlauf von  Quartieren be-
einflussen. Privatwirtschaftliche und politische Entscheidungen, wie zum Beispiel die Schlie-
ßung eines bedeutenden Betriebs oder die Ausweisung von Sanierungsgebieten, können die
Quartiersentwicklung entscheidend verändern. Diese Ereignisse und ihre Auswirkungen sind
nur bedingt vorhersehbar. Solche Ereignisse werden Wildcards genannt.
Ein Beispiel für eine Wildcard, die ein Upgrading-Szenario beeinflussen kann, sind steigende
ausländische Investitionen. Im Zuge der Euroschuldenkrise und der allgemeinen Unsicherheit
an den Finanzmärkten kam es ab dem Jahr 2009 zu steigenden ausländischen Investitionen
auf dem deutschen Immobilienmarkt. Angesichts niedriger Zinsen suchten ausländische In-
vestoren  nach  vermeintlich  sicheren und  stabilen  Sachwerten.  Hohe  Investitionen  werden
vor allem in den als transparent und liquide geltenden Immobilienmärkten der Großstädte
wie Berlin, Hamburg, München und Frankfurt getätigt. Durch die wachsende Nachfrage nach
Wohnraum in einigen Großstädten steigen die Preise für Immobilien. Die Preisimpulse über-
trugen sich aus den Städten auf das Umland, vom Neubau- ins Bestandsimmobiliensegment
und von den Geschosswohnungen auf Einfamilienhäuser. Trotz steigender Preise wurde auf-
grund  der  Aussicht  auf  den  Erwerb  stabiler  Werte  weiter  in  Immobilien  investiert.  In  be-
stimmten bevorzugten Lagen einiger Großstädte sind daher in den letzten Jahren, besonders
auch aufgrund ausländischer Investitionen, die Preise für Wohnraum gestiegen. Bezahlbaren
Wohnraum zu finden, wird für Geringverdiener in diesen Städten in immer mehr Stadtteilen
immer schwieriger. In der Folge kann es zu Verdrängungseffekten und zu einer räumlichen
Konzentration von einkommensschwachen Haushalten in bestimmten Wohnlagen kommen.

Welche Quartiere sind überwiegend von einem Upgrading-Szenario betroffen? 
Oftmals sind ehemalige Bürgerviertel mit repräsentativer Mietwohnbebauung in der Innen-
stadt und in Innenstadtrandlagen, ehemalige Arbeiterviertel mit verdichteter Wohnbebau-
ung  in  guter  Lage,  ruhige  Wohngegenden  mit  Gartenstadtcharakter  und  die  sogenannten
„Szeneviertel“ mit einer hohen Dichte an Gastronomie-, Kultur- und Freizeitangeboten vom
Upgrading-Szenario betroffen. Diese Quartiere zeichnen sich grundsätzlich durch eine gewis-
se  Infrastrukturausstattung,  ein  positives  Image  und  eine  Lage  nahe  der  Innenstadt  aus.
Quartiere, die vom Upgrading-Szenario betroffen sind, haben das Potenzial, sich zu einem
Standort zu entwickeln, der durch eine gute Wohnlage gekennzeichnet ist. Eine gute Wohn-
lage zeichnet sich unter anderem durch eine aufgelockert bebaute und durchgrünte Gegend,
ein gutes soziales Umfeld, ein gepflegtes Erscheinungsbild des Viertels, nahegelegene Halte-
stellen der öffentlichen Verkehrsmittel, Einkaufsmöglichkeiten und Schulen sowie durch al-
lenfalls  geringe und  nur  kurzfristige  Lärmimmissionen aus.  Es  müssen  jedoch  nicht  immer
alle Kriterien für eine gute Wohnlage vorhanden sein, damit ein Quartier von einem Upgra-
ding-Szenario betroffen sein kann.

Welches Zukunftsbild kann sich aus einem Upgrading-Szenario ergeben?
Das Zukunftsbild von Quartieren, die von einem Upgrading-Szenario betroffen sind, zeichnet
sich meist durch eine bauliche und soziale Aufwertung aus. Diese Quartiere sind nach einer
gewissen Zeit der Aufwertung in der Regel bevorzugte Wohngegenden in guten Wohnlagen
für einkommensstarke und vermögende Haushalte.
Das  Wohnumfeld  und  die  Infrastrukturausstattung  haben  sich  infolge  der  Veränderungen,
die sich unter anderem durch den Zuzug einkommensstärkerer und vermögenderer Haushal-
te und den Wegzug einkommensschwächerer und weniger vermögenderer Haushalte erge-
ben hat, gewandelt. Ziehen Bevölkerungsgruppen oder Haushaltsformen in ein Quartier, die
dort bislang nur wenig vertreten waren, können sich die Anforderungen an das Quartier und
an seine Ausstattung ändern. Der Zuzug oder der Verbleib junger Familien kann in innen-
stadtnahen Quartieren beispielsweise den Bau von Kinderbetreuungseinrichtungen erforder-
lich machen. Die Geschäfte und Cafés werden ebenfalls auf die vorhandenen Nachfragewün-
sche  und  -potenziale  im  Quartier  reagieren  und  ihr  Angebot  entsprechend  ändern  oder
durch neue Geschäfte ersetzt werden. Der Kiosk im Quartier ist nun eine Espresso-Bar.
Die Wohnbebauung ist vielfach umfangreich saniert beziehungsweise modernisiert und kann
vereinzelt  durch  hochwertigen  Neubau  ergänzt  sein.  Aufgrund  der  anhaltend  hohen  oder
gestiegenen  Nachfrage  nach  Wohnraum  im  Quartier  wurden  Baulücken  geschlossen,  vor-
handene Brach- und Freiflächen bebaut und eventuell einzelne Gebäude durch eine Erhö-
hung der Etagenzahl ausgebaut. Durch die bauliche Aufwertung, die in der Regel mit stei-
genden Miet- und Kaufpreisen sowie vielfach mit der Umwandlung von Miet- in Eigentums-
wohnungen einhergeht, sind einkommensschwächere und weniger vermögende Haushalte
aus dem Quartier verdrängt worden.
Die  aktuellen  Bewohner  eines  Quartiers  sind  größtenteils  einkommensstarke  und  vermö-
gende Haushalte und können die hohen Miet- und Kaufpreise bezahlen. Die Sozialstruktur ist
häufig auf einem überdurchschnittlichen Niveau im Vergleich zur Gesamtstadt. Relevant sind
in diesem Zusammenhang insbesondere Yuppie-Haushalte (Young urban professionals), vor
allem die DINKS (Double Income no Kids). Hinzu kommen junge Familien, die in innenstadt-
nahen Quartieren verbleiben, weil sie die Vorzüge dieser Wohngegenden schätzen gelernt
haben und nicht an den Stadtrand oder ins Umland der Stadt ziehen möchten. Vorzüge sind
unter  anderem  die  Nähe  zu  Betreuungs-,  Bildungs-,  Freizeit- und  Kulturangeboten,  die  in-
nenstadtnahe Lage und die gute Anbindung an den ÖPNV. Diese Vorzüge sprechen  jedoch
auch ältere Paare oder ältere Einzelpersonen an, die bislang noch im Eigenheim am Stadt-
rand  oder  im  Umland  der  Stadt  wohnen.  Die  Bewohner  aufgewerteter  Quartiere  können
hinsichtlich ihrer Lebensphase durchaus heterogen sein. Sie eint jedoch, dass sie zu den ein-
kommensstärkeren und vermögenderen Haushalten zählen.

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Bei Fragen zum Projekt wenden Sie sich bitte an:
Michael Lobeck
Geographisches Institut der Universität Bonn
Meckenheimer Allee 166
53115 Bonn
+49 228 73-60212
lobeck@geographie.uni-bonn.de

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